Wenn im sozialen Umfeld die Gespräche über einen möglichen Lockdown im selben Umfang zunehmen wie die Anzahl der Sonnenstunden abnimmt, fragt man sich unweigerlich wie man ihn über- respektive erleben will den nächsten Corona-Blues. Denn, Lockdown hin oder her: Soziale Kontakte sollen und werden sich wieder reduzieren (müssen). Und dass in einer Zeit, in der die Sonne einem sowieso schon regelmäßig ihren Dienst versagt.
„Es wird ein langer, dunkler Winter“ unken schon die Spiegel-Kolumnisten. Ich bin Berufsoptimist. Ich kann nichts dafür. Ich hab‘ da so ein Gen mitbekommen, dass mich dazu auffordert allem Schlechten das Fünkchen Positive abzugewinnen. Quasi die Nadel des Glücks im Heuhaufen des Unglücks. Es liegt auch an der tiefen Überzeugung, dass Zufriedenheit vor allem auch eine Frage der Haltung und Perspektive ist. Neulich bin ich beim Einkaufen immer wieder einem schimpfenden weiblichen Einkaufs-Duo begegnet, welches an wirklich jedem Regal etwas zum Aufregen gefunden hat. („Es kann doch wirklich nicht sein, dass die in diesem riesigen Laden keine Schokomilch verkaufen“; „Das sind niemals 100 Gramm Salami – das wiege ich zu Hause nochmal nach“.) Für diese Pessimisten bin ich ein rotes Tuch. Manchmal, wenn ich einen guten Energieüberschuss habe, rotze ich denen einen Schwall Freundlichkeit entgegen. Auch gern in öffentlichen Verkehrsmitteln gegenüber Mitreisenden, die einen übellaunig anraunen. Ich mag den Moment der kurzen Erschütterung, in dem sich die Pupillen weiten und aus dem wütenden ein fragender Blick wird. Frei nach dem Motto: Was denn bitte in mich gefahren sei, dass ich auf diesen Frust so freundlich reagiere.
Dabei ist es nicht so, dass ich nicht auch schimpfen und mich aufregen kann. Am meisten regen mich leider immer wieder meine Kinder auf. Ich arbeite noch an der Akzeptanz dessen, dass man diesbezüglich weniger in der Hand hat als mir recht ist. Vielleicht habe ich es akzeptiert bis sie 18 sind. Und es ist mir auch bewusst, dass es das Leben bisher ganz gut mit mir gemeint hat und mein Optimismus noch keinen harten Schicksalsschlag verkraften musste. Aber da selbst ich als gnadenloser Optimist Phasen von Baby-Blues, November-Blues und Corona-Blues kenne, hier drei erfrischende Ersatzvitamin-Pillen für die kommenden Monate.
VITAMIN A, B und C
Vitamin A: Ab nach Draußen zum Blumen- oder Waldbaden
Wir haben in diesem Sommer ein Blumenlabyrinth entdeckt. Das ist wie Baden in Blumen während der Nachwuchs hinreichend beschäftigt ist. Gerüche, Farben, Formen – ich war danach so erholt wie nach einem Saunagang. Nun ist die Blumensaison leider langsam vorbei, aber ähnlich ergeht es mir auch oft im Wald. Das Waldbaden hat ja nicht erst seit der, aus Japan herübergeschwappten, Popularität des „Shinrin-Yoku“ in Deutschland Hochkonjunktur. Ob man es nun Spaziergang, Waldbaden oder eine kleine Wanderung nennt: Es ist wie eine kostenlose Massage für die smartbildschirm-abgestumpften Sinne.
Vitamin B: Beziehungen pflegen geht auch online
Wenn alte und liebgewonnene Rituale in diesem Jahr nicht stattfinden können (der Weihnachtsmarktbesuch mit den Kollegen oder das Brunch mit den Schulfreunden) müssen neue Ideen her. Gerade im beruflichen Kontext hat uns das Jahr schließlich auch gelehrt, wie viel Digitalisierung plötzlich möglich ist. Man stelle also zum Beispiel den Laptop auf den Balkon, holt sich den aufgewärmten Glühwein aus der Küche und videotelefoniert leicht fröstelnd mit den Kollegen. Jetzt noch einen wackelnden Weihnachtsmann aufs Fensterbrett stellen und Last Christmas in Dauerschleife auf dem Handy abspielen. Fertig ist die Weihnachtsmarktkulisse für zu Hause.
Vitamin C: Eine alte CD, MC oder Schallplatte auflegen
Neulich habe ich bei Radio Teddy (meine Kinder sind 2 und 5) ein Lied meiner Kindheit wiederentdeckt. Ungelogen hatte ich das zuvor sicher 25 Jahre nicht mehr gehört. Entsprechend konnte ich mich weder an den Autor noch an den Titel erinnern und auch eine Nachfrage beim Radiosender ergab keine Antwort. Aber die Liedzeilen haben mich nicht losgelassen, also habe ich recherchiert und bin irgendwann tatsächlich fündig geworden. Es war ein Lied von einer meiner alten Lieblings-Hörspielschallplatten. Das war noch vor der Kassette! Die findet man online auch nur als CD und nicht etwa als Download. Ich habe sie noch in der Nacht bestellt (natürlich für meine Kinder) und freue mich nun selbst jeden Tag wie ein kleines Kind auf die Lieferung und darauf, sie das erste Mal gemeinsam mit meinen Kindern anzuhören.